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My touch makes me visible!

 

Statement der Kuratorinnen: Maike Mia Höhne und Jyoti Mistry

 

Seidenweiche Haut erstrahlt in jugendlichem Glanz. Haut mit Falten, Lebenslinien von gelebten Schicksalen. Haut mit blauen Flecken, geprellt, geschlagen und geprügelt. Aufgerissene Haut, gezeichnet vom Schmerz. Bei der Geburt gedehnte und im Alter in Falten gelegte Haut. Haut, die zusammengenäht wurde, um Wunden zu heilen (zu verbergen). Nach Verlangen lechzende Haut. Haut, die sich vor Lust zusammenzieht. Die Haut geht tiefer als Haut. Die Haut ist Oberfläche. Die Kinoleinwand ist Haut.

 

My Touch Makes Me Visible! untersucht, wie Filmemacher*innen mit der Haut der Leinwand arbeiten, um uns die sinnlichen Erfahrungen von Frauen aus verschiedenen geografischen Regionen und unterschiedlichen politischen Kontexten näher zu bringen. My Touch Makes Me Visible! ist ein Kaleidoskop ästhetischer Formen, das die vielstimmigen Standpunkte unterschiedlicher Feminismen unter Einbezug ihrer jeweiligen Geschichten und mit Blick auf die Erfahrungen zahlreicher Frauen wiedergibt. Indem die Filme miteinander in Dialog treten, sich ergänzen und gegenseitig reflektieren, laden sie das Publikum dazu ein, sich mit den gemeinsamen Subjektivitäten von Frauen und den Unterschieden, die sie voneinander trennen, auseinanderzusetzen. Das Format jeder der Filme stellt an sich schon einen radikalen Akt des Widerstands gegen hegemoniale Filmkonventionen dar. Zudem zeigen die Filme, wie Frauen, Trans- und queere Filmemacher*innen die Kamera und die Macht der Bilder einsetzen, um den ansonsten häufig objektivierenden Blick der Kamera zu einer befreienden Praxis des Bildermachens zu machen. Laura U. Marks beschreibt „haptische Visualität“ als eine sinnlich-taktile Filmerfahrung, die körperliche Erinnerungen und Erfahrungen generiert. Das Gefühl, berührt zu werden, bringt uns die Subjektivität und die Gefühle der Figuren näher und involviert uns als Zuschauer*innen in diesen Prozess. Wir werden von diesen Bildern angezogen, weil sie uns an unsere eigenen Körper und Erlebnisse erinnern und sie verbinden uns als Publikum mit den Kulturen, die wir verkörpern. Das Programm nimmt Stellung zu Gefühlen, Emotionen und bekennt sich zum Körper als Ort der politischen Handlung, der sozialen Veränderung und des intimen Austauschs, wo Liebe einen Akt der Transformation darstellt.

 

Bodies Protest and Resist ist eine Auswahl von Filmen, die unter anderem Arbeiten von Hito Steyerl und Sarah Abu Abdallah umfasst. Die Filme thematisieren einerseits patriarchale Strukturen und das breite Spektrum an Gewalt, von denen nach wie vor so viele Frauen weltweit betroffen sind, andererseits aber auch die Überlebensstrategien von Frauen, mit denen sie dieser strukturellen Unterdrückung trotzen. 

 

Cinema of Senses verknüpft die Filme von  Ulrike Zimmermann, Ruth Lingford und Danielle Arbid zu einer explosiven Erfahrung des Taktilen und Haptischen – ein Fest des Sinnlichen, des Erotischen und des Sexuellen auf der Leinwand. Die Filme sind intime Reflexionen über unterschiedliche Vorstellungen von Begehren, die Befriedigung von Begierden und die Intimitäten der Gender-Fluidität. Dabei werden auch dunkle Seiten der Lust angesprochen. Die Auswahl lädt das Publikum dazu ein, sich mit bisher unberührt gebliebenen Bereichen im Leben von Frauen auseinanderzusetzen, und mit der Dringlichkeit, den Körper unter neuen Voraussetzungen wiederzuentdecken.

 

Woman Work! Aus feministischer Perspektive wurde die (häusliche) Arbeit von Frauen stets als unbezahlte Arbeit wahrgenommen und Frauen werden im Rahmen der Erwerbsarbeit nach wie vor diskriminiert. Gabrielle Stemmer wählt eine andere, zeitgemäße Betrachtungsweise der Hausarbeit, um zu zeigen, wie junge Frauen Reinigungsarbeiten und die Häuslichkeit monetisiert haben, indem sie mittels Social Media ein Selbstgefühl herausgebildet haben. Im Kontrast dazu zeigen die Filme von Katharina Gruezei und Clara Helbig, wie Erwerbsarbeit nach wie vor unter ausbeuterischen Bedingungen verrichtet wird, wie die Arbeiter*innen missbraucht werden. Angelika Nguyens Film ist eine ergreifende Betrachtung der Arbeitswelt von Migrant*innen und des strukturellen Rassismus, dem ausländische Arbeitskräfte ausgesetzt sind. In dieser Arbeit klingen die Erfahrungen unzähliger migrantischer Arbeitskräfte auf der ganzen Welt nach. Diese Filmauswahl ist ein Querschnitt der Arbeiten weiblicher Filmschaffender, die sich dem herausfordernden Thema (Erwerbs-)Arbeit stellen und die arbeitende Frauen in den Fokus rücken.

 

Flaming Desires Queer Expressions on Screen. Queere Politik, queere Identität und ein queerer Blick bieten eine erweiterte Möglichkeit, Erfahrungen sichtbar zu machen, die nicht durch patriarchale oder heterosexuelle Strukturen definiert sind, sondern zeigen, wie Geschlecht, sexuelle Identität und Race immer durch die sie definierenden Machtstrukturen bestimmt werden. Monika Treut ist eine zentrale Figur der freien deutschen Filmszene, sie ging Ende der 1980er Jahre in die USA und gab mit ihrem konventionskritischen Ansatz und ihrer progressiven Perspektive auf lesbisch-schwule Sexualität dem gerade entstehenden New Queer Cinema entscheidende Impulse. In diesem Abschnitt geht es um drei ihrer Filme Max, Gendernauts und Genderation über die Trans- und Queer-Community in San Francisco.

 

My Touch Makes Me Visible! lädt dazu ein, zusammenzukommen und über die Politik des Sinnlichen im Leben von Frauen, Transpersonen und queeren Menschen zu diskutieren. Gefeiert werden die Körper, die wir bewohnen, und das Bewusstsein, dass unsere Geschichten auf unserer Haut geschrieben werden und sich auf den Bildschirmen widerspiegeln.